Keine Mails nach Dienstschluss ?

Die Vorstellung, keine Mails nach Dienstschluss mehr zu erhalten oder gar bearbeiten zu müssen, ist gegenwärtig ein Wunschtraum vieler Arbeitnehmer.

In Frankreich gilt seit dem 1. Januar 2017 ein bis jetzt weltweit einmalige Gesetz. Arbeitnehmer müssen damit nach Feierabend nicht mehr per Mail erreichbar sein.
In Deutschland ist der Gesetzgeber noch weit von derartigen Vorstellungen entfernt. Statt dessen feiert die Politik die Begriffe Arbeit 4.0 bzw. Industrie 4.0 geradezu euphorisch und ist damit blind für die mit dieser industriellen Entwicklung zwangsläufig auftretenden Probleme.

Der Begriff Industrie 4.0 steht schlagwortartig für die vierte industrielle Revolution, die dadurch gekennzeichnet sein soll, dass insbesondere auch Maschinen interagieren, also eine Kommunikation durch die Übermittlung von Informationen und Daten zwischen Maschinen stattfindet. Das führt in der Idealvorstellung dazu, dass insbesondere die Maschinenlaufzeiten rund um die Uhr angelegt werden können, weil Maschinen bis auf notwendige Wartungspausen nicht stillstehen müssen. Damit verbunden ist die gewünschte Erhöhung der Produktivität und Rentabilität. Die Praxis zeigt allerdings, dass diese Idealvorstellung, wie so häufig, nicht erreicht werden kann. Es ist stattdessen erforderlich, dass der Mensch als Schnittstelle zwischen den Maschinen seine Kenntnisse und Erfahrungen einbringt und die Datenströme so auswertet und lenkt, dass tatsächlich brauchbare Arbeitsergebnisse erzielt werden. Das deckt aber offen den Konflikt auf, der durch die Bedürfnisse der Ruhepausen des Menschen im Gegenzug zu den pausenlos arbeitenden Maschinen aufgeworfen wird.

Die ständige Verfügbarkeit des Arbeitnehmers durch die mobilen Kommunikationsmittel ist deswegen für Unternehmen verführerisch, um das Ziel der pausenlos arbeitenden Produktion zu ermöglichen. Dem setzt allerdings das Arbeitszeitgesetz eindeutig Grenzen, denn die Bearbeitung einer Mail ist Arbeitszeit. Ob die Anweisung an den Arbeitnehmer, das Mobilfunkgerät auch außerhalb der Dienstzeit eingeschaltet zu haben, damit dort Mails eingehen können, unzulässig ist, ist hingegen nicht so ganz klar. In vielen Berufen gibt es Rufbereitschaften, die im Gegensatz zum echten Bereitschaftsdienst keine Arbeitszeit sind. Rechtspolitisch dürfte aber auch eine Verpflichtung, das Mobilfunkgerät im Sinne einer Rufbereitschaft angeschaltet zu haben, unerwünscht sein, denn der Druck auf den Arbeitnehmer, in eine in der Freizeit empfangene Mail doch hineinzuschauen und diese gegebenenfalls kurz zu beantworten, lässt sich nicht von der Hand weisen.

Die Problematik haben einige große Unternehmen in Deutschland erkannt. Volkswagen schaltet angeblich abends die Mail Server ab, um den Mitarbeitern Ruhe zu gewähren. Auch BMW und Daimler haben entsprechende Betriebsvereinbarungen getroffen, die Mitarbeiter schützen sollen.

Ob diese Regelungen in der Praxis tatsächlich funktionieren, darf bezweifelt werden, solange die Rahmenbedingungen, die zum Missbrauch der Kommunikationsmittel führen, nicht beseitigt sind.

Gleiches gilt auch für das neue französische Gesetz. Ob es befolgt wird und ob Arbeitnehmer sich trauen, Verstöße tatsächlich zu reklamieren, wird sich herausstellen müssen. Der französische Kassationshof als höchstes Gericht Frankreichs hat allerdings schon vor Inkrafttreten des Gesetzes die Kündigung eines Arbeitnehmers, der außerhalb der Arbeitszeit auf seinem Handy nicht erreichbar war, für unwirksam erklärt.