Am 16.2.2023 hat das Bundesarbeitsgericht unter dem Titel „Entgeltgleichheit von Männern und Frauen“ eine Entscheidung verkündet, die in Medien und Politik sogleich auf große Resonanz stieß.
Bisher liegt allerdings nur eine Pressemitteilung des Gerichts vor. Vor Studium der vollständigen Urteilsbegründung lässt sich eine seriöse Bewertung nicht vornehmen. Dass die grüne Familienministerin die Entscheidung öffentlich freudig begrüßt hat, beruht auf ihrer parteipolitischen Konditionierung, die ein kritisches Hinterfragen entbehrlich macht.
Die Entscheidung lässt viele Fragen offen, der veröffentlichte Sachverhalt ist einfach.
Ein Mann und eine Frau -das Gericht verwendet tatsächlich diese stereotype Geschlechtszuweisung- werden in einem Unternehmen eingestellt. Die Frau erhält ein Grundgehalt von 3.500 € brutto, der Mann von 4.500 €, weil er angeblich härter verhandelt hat und für 3.500 € den Vertrag nicht unterzeichnen wollte. Die Frau klagt später die Gehaltsdifferenz ein und bekommt recht. Dabei stützt sich das Gericht ausdrücklich auf § 3 und § 7 EntgeltTransparenzgesetz. Beide Normen beziehen sich ausdrücklich und unmissverständlich auf das Verbot einer Benachteiligung wegen des Geschlechts. Die Erklärung des Arbeitgebers, der männliche Bewerber habe härter verhandelt, ist in den Augen des BAG kein Sachverhalt, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen kann.
Mehr wissen wir bis jetzt nicht. Eine Kollegin, auch Fachanwältin für Arbeitsrecht, hat in den Medien erklärt, das Urteil gelte auch für Männer. Der Pressemitteilung und den vom Gericht angewandten Rechtsnormen lässt sich das nicht entnehmen. Es bleiben vielmehr eine ganze Reihe von Fragen:
-Kann ein Mann tatsächlich dieselbe Vergütung verlangen, wie sein Kollege, der bei der Einstellungsverhandlung den geringeren Lohn abgelehnt hat?
-Was ist richtig, wenn eine Frau und fünf Männer eingestellt werden, nur einer der Männer verdient mehr?
-Wie ist die Rechtslage, wenn ein Mann und eine Frau neu eingestellt werden, dort aber schon mehrere Arbeitnehmer, Männer und Frauen, auf einem geringeren Vergütungsniveau arbeiten als der neu eingestellte männliche Arbeitnehmer. Müssen dann alle Arbeitnehmer die höhere Vergütung erhalten?
-Hat ein Transmann Anspruch auf die Gehaltsdifferenz, wenn er als weiblicher Bewerber zunächst niedriger eingestuft war?
Viele Fragen bleiben offen, die durch rot-grüne Brillengläser noch gar nicht erkannt worden sind. Vielleicht bringen die vollständigen Urteilsgründe weitere Erkenntnis.