Das LAG Köln hat in einer Entscheidung vom 13.12.2021 Az. 2 Sa 488/21 ein Urteil mit erheblicher Bedeutung für Arbeitnehmer verkündet. Danach soll ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Gutschrift der Urlaubstage erhalten, die ihm während des Urlaubs durch eine behördlich angeordnete Quarantäne verloren gehen. Dies betrifft natürlich auch Arbeitnehmerinnen, was ich hier für Leser, die sonst möglicherweise Verständnisschwierigkeiten haben, ausdrücklich erwähne.
In dem entschiedenen Fall hatte tatsächlich eine Arbeitnehmerin das Pech, dass sie während eines genehmigten Urlaubs positiv getestet wurde und sich deshalb auch ohne ausdrückliche behördliche Anordnung Quarantäne begeben musste. Nach Genesung verlangte sie vom Arbeitgeber die Gutschrift der durch die Quarantäne verlorenen Urlaubstage. Das Arbeitsgericht Bonn und in der Folge das Landesarbeitsgericht Köln nahmen den Text des Bundesurlaubsgesetzes zur Hand und stellten fest, dass dort unter § 9 festgestellt wird, dass Tage, in denen ein Arbeitnehmer eine durch ärztliches Zeugnis festgestellte Erkrankung nachweisen kann, nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden. Das Gericht stellte zudem fest, dass auch eine Arbeitsunfähigkeit nicht zwingend vorliegen müsse, weil es Fälle einer symptomfreien Covid Erkrankung gebe. Deshalb, so schloss man messerscharf, komme auch eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG nicht in Betracht. Der Anspruch der Arbeitnehmerin auf Gutschrift der verlorenen Urlaubstage wurde deshalb abgelehnt. Beide Urteile zeigen deutlich, dass es für einen guten Juristen nicht ausreicht, einen Gesetzestext zu lesen und buchstabengetreu anzuwenden. Dem Landesarbeitsgericht Köln ist zugute zu halten, dass es die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen hat. Offensichtlich war man dort von der Richtigkeit der Entscheidung selbst nicht uneingeschränkt überzeugt.
Die Entscheidung ist falsch. Es besteht in Rechtsprechung und Lehre die völlig unbestrittene Auffassung, dass Urlaub ausschließlich der Erholung des Arbeitnehmers und Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit zu dienen hat. Deshalb bestimmt das Bundesurlaubsgesetz in § 8 unmissverständlich, dass eine Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers während des Urlaubs ausgeschlossen ist, weil dies dem Urlaubszweck widerspreche. Aus diesem Grunde kann eine Abgeltung, also eine Ausbezahlung des Urlaubsentgelts, auch nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen, wenn eine Gewährung des Urlaubs durch bezahlte Freistellung nicht mehr möglich ist. Der Arbeitnehmer kann nicht während des laufenden Arbeitsverhältnisses durcharbeiten und sich den Jahresurlaub“ ausbezahlen“ lassen. Eine aufgrund einer Infektion gesetzlich angeordnete Quarantäne steht gleichwohl einer ärztlich angeordneten Arbeitsunfähigkeit gleich. In beiden Fällen ist es dem Arbeitnehmer untersagt, zu arbeiten, um die Genesung nicht zu gefährden. Dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des Bundesurlaubsgesetzes nicht in § 9 den recht seltenen Fall der Quarantäne berücksichtigt hat, kann nicht gegen den Arbeitnehmer ausgelegt werden, sondern stellt eine Regelungslücke im Bundesurlaubsgesetz dar, die durch analoge Anwendung ohne weiteres geschlossen werden kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein symptomfreier Arbeitnehmer während Quarantäne gegebenfalls “Home Office” machen kann. Urlaub machen kann er dagegen nicht, denn zur Erholung gehört auch die Gestaltungsfreiheit, wie und wo der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft wieder generiert.
Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht weitsichtiger entscheidet.
Bis dahin aber gilt, dass vorsorglich im Falle einer Quarantäneanordnung dem Arbeitgeber ein ärztliches Zeugnis zu Arbeitsunfähigkeit vorgelegt werden sollte.