Während der Arbeitsunfähigkeit darf nicht gekündigt werden?

In den mehr als 30 Jahren meiner Tätigkeit als Fachanwalt für Arbeitsrecht bin ich auch häufig von Arbeitnehmern um Vertretung gebeten worden, die während einer Erkrankung eine Kündigung erhalten hatten. Die weit überwiegende Anzahl der Mandanten – ich schätze sogar etwa 75 % der Betroffenen – erklärten mir mit großer Überzeugung: „Während der Arbeitsunfähigkeit darf nicht gekündigt werden“

Diese Annahme ist vollständig falsch und mir ist es bisher nicht gelungen, herauszufinden, wo her dieser Irrglaube kommt. Eine Erkrankung oder eine vom Arzt attestierte Arbeitsunfähigkeit ist kein Hindernis für eine Kündigung. Wenn ein Arbeitnehmer eine solche Kündigung erhält, ist es dringend geboten, sofort fachanwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um die Erfolgsaussichten für eine Verteidigung gegen diese Kündigung abzuklären.

 

Es ist im Gegenteil sogar möglich, wegen einer Erkrankung zu kündigen. Eine solche Kündigung kann . gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer auffällig häufig Kurzerkrankungen hat oder wenn eine Langzeiterkrankung vorliegt und unklar ist, ob und wann der Arbeitnehmer seine Tätigkeit wieder aufnehmen kann. Der Grund, warum eine solche Kündigung möglich ist, ist relativ einfach. Ein Arbeitsverhältnis ist ein auf Dauer angelegtes Austauschverhältnis, in dem der Arbeitgeber Arbeit zur Verfügung stellt und der Arbeitnehmer, der für die Ausführung der Arbeiten bezahlt wird, diese Arbeitsleistung „liefert“. Kann er diese Arbeitsleistung nicht mehr zur Verfügung stellen, wird das Austauschverhältnis gestört und diese Störung kann auch aus sozialen Gesichtspunkten nur eine Zeit lang hingenommen werden. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer verschuldet nicht leistet. Die Frage der Schuld ist völlig unerheblich, denn auch der Arbeitgeber trägt keine Schuld an der Leistungsstörung. Allgemein wird dem Arbeitgeber zugemutet, pro Beschäftigungsjahr etwa sechs Wochen Ausfallzeit des Arbeitnehmers hinzunehmen. Dies ist lediglich eine grobe Faustregel, denn jeder Fall muss natürlich individuell betrachtet werden. So kann es sein, dass ein Arbeitnehmer zum Beispiel durch eine komplizierte Operation länger ausfällt, die Prognose für eine völlige Wiederherstellung der Arbeitskraft nach Genesung aber ausgesprochen gut ist.

 

In jedem Falle aber gilt, wenn eine Kündigung ausgesprochen wird, die im Zusammenhang mit längeren Erkrankungszeiten des Arbeitnehmers steht, hilft nur der Weg zum Fachanwalt, um Klarheit über die Erfolgsaussichten zu haben.