Vergütungsanspruch bei Freistellung wegen Corona-Pandemie

Wenn ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Corona-Pandemie nicht arbeiten kann, stellt sich sogleich die Frage, ob er weiter seine Vergütung bekommt.Diese Frage ist rechtlich hoch kompliziert, was auch damit zusammenhängt, dass es bisher vergleichbare Situationen nicht gegeben hat.

Zu einfach macht es sich aber der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland in einem Rundschreiben vom 25.2.2020, wenn dort die Auffassung vertreten wird, bei einer einseitigen Freistellung wegen einer konkreten Infektionsgefahr habe der Arbeitnehmer gegen den Dienstgeber keinen Vergütungsanspruch. Diese Auffassung beruht auf einer sehr groben Anwendung von Vorschriften aus dem allgemeinen Schuldrecht, die die Besonderheiten des Arbeitsrechts ignoriert.

Zu unterscheiden sind folgende Fälle:

 

  1. Der Arbeitgeber entschließt sich wegen einer unklaren Infektionssituation seinen Betrieb vorübergehend zu schließen und stellt einseitig die Arbeitnehmer von der Erbringung der Arbeitsleistung frei.

Die nicht erkrankten Arbeitnehmer sind ihrerseits arbeitsbereit und arbeitsfähig und werden an der Erbringung ihrer Leistung lediglich dadurch gehindert, dass der Arbeitgeber diese Leistung nicht entgegennimmt. In einer solchen Situation ist ein klassischer Fall des sogenannten Annahmeverzugs (§ 615 BGB) gegeben, der den Arbeitgeber zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet.

 

  1. Der Arbeitgeber schließt aufgrund behördlicher Anordnung das Unternehmen und stellt deshalb die Arbeitnehmer von der Erbringung der Arbeitsleistung frei.

Auch in diesem Fall sind die nicht erkrankten Arbeitnehmer arbeitsbereit und arbeitsfähig, der Arbeitgeber wird aber seinerseits durch die behördliche Anweisung gehindert, die Arbeitsleistung anzunehmen. Zur Anwendung der Vorschrift über den Annahmeverzug kommt man in diesem Fall nur dann, wenn man die Auffassung vertritt, dass der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt. Die Frage des Betriebsrisikos ist von einem Verschulden unabhängig, deshalb kann auch bei einer Betriebsschließung aufgrund behördlicher Anordnung nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber damit aus der Zahlungspflicht entlassen ist. Der Arbeitgeber trägt nämlich ohne sein Verschulden auch das Betriebsrisiko, wenn z.B. aufgrund äußerer Einflüsse Aufträge fehlen oder storniert werden oder die Lieferung von für die Produktion erforderlichen Rohstoffen ausbleibt. Natürlich kann der Arbeitgeber in einer solchen Situation an eine  betriebsbedingte Kündigung denken. Bei einer solchen Kündigung hat er aber die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten und während dieser Kündigungsfrist auch die Zahlung zu leisten.

Es stellt sich nur die Frage, wie lange der Arbeitgeber für das Betriebsrisiko eintreten muss. Wenn man daran denkt, dass die Handlungsalternative für ihn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist, könnte man zur Auffassung kommen, dass er jedenfalls für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist zahlen muss.

Letztlich ist dies aber für beide Seiten eine sehr missliche Situation, so dass ich dringend empfehle, dass in einem solchen Falle auch die Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber zugehen, um Alternativenfür Tätigkeiten zu suchen, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht notwendig machen. In vielen Bereichen wird es möglich sein, Arbeiten im Home Office zu erledigen. Auch wenn diese Tätigkeiten nicht unmittelbar für das „operative Geschäft“ nutzbar sind, sind sie nicht wertlos. So sind in vielen Berufen Dokumentationspflichten gegeben, die in dieser Zeit nachvollzogen werden können. In jedem Falle ist es wichtig, das Arbeitsverhältnis zu erhalten.

Jede Kündigung muss darüber hinaus verhältnismäßig sein, sie darf letztlich für den Arbeitgeber nur das letzte Mittel zur Lösung eines Problems sein. Wenn der Arbeitnehmer bei einer Kündigung  darlegen kann, dass seine Arbeitsleistung für den Arbeitgeber doch nicht wertlos ist, wird es im Prozess für den Arbeitgeber nahezu unmöglich, die dringende Notwendigkeit der Beendigung zu belegen.

Auch ohne eine ausdrückliche Kündigung wird das Betriebsrisiko keinen Zahlungsanspruch auf unbestimmte Zeit rechtfertigen können. Der Erhalt der Zahlungsverpflichtung ist aber wichtig, weil mit einer Zahlungseinstellung auch Sozialversicherungsansprüche, wie Krankenversicherung, erlöschen können. Dies ist ein weiteres gewichtiges Argument dafür, dass der Arbeitnehmer von sich aus versuchen muss, mit dem Arbeitgeber zu klären, wie und mit welcher Gegenleistung der Vergütungsanspruch erhalten werden kann. Natürlich ist es auch denkbar, wenn Urlaubsansprüche oder Guthaben aus Arbeitszeitkonten vorhanden sind, diese zunächst einzubringen.

 

3.. Einfach ist es dagegen, wenn der Arbeitnehmer selbst aufgrund einer Infektion krankgeschrieben wird.

Er behält dann gegenüber dem Arbeitgeber seinen Entgeltfortzahlungsanspruch für sechs Wochen, wobei sich der Arbeitgeber die Leistungen über das Infektionsschutzgesetz erstatten lassen kann. Sollte die Erkrankung länger bestehen, wird der Arbeitnehmer allerdings mit dem deutlich geringeren Krankengeldanspruch auskommen müssen.

 

In jedem Fall ist es dringend geboten, zur Sicherheit fachanwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sollten bei der Vergütungszahlung Probleme auftreten.