Ohne Impfung kein Gehalt?

Ohne Impfung kein Gehalt, titelt die Bild am Sonntag am 10. Januar 2021 und berichtet über den Fall eines Zahnarztes aus Pfaffenhofen in Bayern, der angeblich seinen Angestellten angedroht hat, sie ohne Fortzahlung der Vergütung freizustellen, wenn sie seiner Aufforderung nicht nachkommen, sich gegen Covid 19 impfen zu lassen

Damit ist die Impfproblematik endlich auch als Nebenkriegsschauplatz ins Arbeitsrecht getragen und eine Fachanwaltskollegin aus Düsseldorf wird von der Bild am Sonntag dahingehend zitiert, dass ein Arbeitgeber dies nicht verlangen könne. Unterstützung findet sie durch einen Fachkollegen aus Pfaffenhofen, der sicherlich nicht den Zahnarzt beraten hat, über den berichtet wird.

 

Ist die Problematik tatsächlich so einfach zu lösen?

 

Die aus der Hüfte geschossenen Stellungnahmen scheinen deutlich zu kurz gesprungen. Professor Thüsing aus Bonn, Inhaber eines Lehrstuhls für Arbeitsrecht, weist darauf hin, dass Ärzte nach § 23  Infektionsschutzgesetz besondere Sorgfalts- und Obhutspflichten bei der Führung ihrer Praxen zu beachten haben. Entsprechende Verstöße sind nicht nur mit Sanktionen belegt, Sie können gegebenenfalls auch zu einem Entzug der Zulassung und damit quasi zu einem Berufsverbot führen. Es handelt sich also nicht nur um mehr oder weniger unverbindliche Ordnungsvorschriften.Im Arbeitsrecht gilt nicht nur der Grundsatz der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer, sondern umgekehrt auch, was häufig in Vergessenheit gerät und von Arbeitnehmerseite gerne verschwiegen wird, der Grundsatz der Treuepflicht. Auch der Arbeitnehmer hat sich so zu verhalten, dass er dem Arbeitgeber die unbeeinträchtigte Betriebsführung ermöglicht und seinerseits nichts unternimmt, was die Erbringung seiner eigenen vertraglichen Leistung gefährdet. Ein Arbeitnehmer, der in einem medizinischen Beruf eingesetzt ist, trägt auch Verantwortung dafür, dass der Betrieb, in dem er arbeitet, seine gesetzlichen Verpflichtungen einhalten kann. Im Rahmen der Lebensmittelverarbeitung ist nicht ernsthaft streitig, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, an der Erstellung von Gesundheitszeugnis, die er für die Geeignetheit als Arbeitnehmer in einem lebensmittelverarbeitenden Betrieb erbringen muss, mitzuwirken.

Natürlich kann der Arbeitgeber nicht verlangen, dass der Arbeitnehmer sich impfen lässt, denn damit würde er in die körperliche Unversehrtheit eingreifen. Gegen solche Eingriffe ist der Arbeitnehmer verfassungsrechtlich geschützt. Dieser verfassungsrechtliche Schutz bedeutet nicht, dass der Arbeitnehmer unter Berufung auf die Unversehrtheit seines Körpers die Impfung verweigern kann und damit gegebenenfalls seine vertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen kann. Die Möglichkeit der Erbringung der Leistung ist nämlich Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber auch zur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist. Nur wenn der Arbeitgeber einseitig einen leistungsbereiten, leistungswilligen und auch objektiv zur Leistung geeigneten Arbeitnehmer freistellt, bleibt er zur Vergütungszahlung verpflichtet.

Natürlich gibt es viele Arbeitnehmer, die in Berufen tätig sind, wo es keine entsprechenden Verpflichtungen für die Arbeitgeber gibt. Dann ist jeweils im Einzelfall abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers an einem geimpften Arbeitnehmer tatsächlich so groß ist, dass er einen Impfverweigerer freistellen kann. Dieses Interesse kann sich durchaus ergeben, wenn es um den Gesundheitsschutz von Kollegen oder Kunden geht.

Ich bin mir sicher, dass die Klärung dieser Frage in Deutschland zu einem wahren Flickenteppich unterschiedlicher Urteile führen wird, bis es zu einer obergerichtlichen Klärung gekommen ist, die sicher erst zu erwarten ist,wenn die Pandemie Situation hoffentlich längst beseitigt ist. Allerdings sollten prozesswillige Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter durchaus zur Kenntnis nehmen, wie vorsichtig und restriktiv die Arbeitsgerichte bei der Führung ihrer eigenen Amtsgeschäfte tätig geworden sind. Die konsequente Abschottung nach außen, die sehr zurückhaltende Terminierung und die nur unter großen Hygienevorkehrungen durchgeführte Termine sind deutliche Zeichen dafür, dass man bei der Arbeitsgerichtsbarkeit die große gesundheitliche Bedrohung der Pandemie erkannt hat.