Homeoffice- die Patentlösung unternehmensferner Politiker

Die Pandemie hat als eine der vielen Nebeneffekte Deutschland das sogenannte Homeoffice beschert, aufgrund einer Verordnungsermächtigung des zuständigen Ministers sogar eine Pflicht für Arbeitgeber, diese Arbeitsform anzubieten, wenn möglich. Schon die Bezeichnung Homeoffice ist dümmlich und peinlich, denn ein Brite als Muttersprachler versteht darunter das Innenministerium und keineswegs einen Heimarbeitsplatz.

Man hat allerdings wohl zurecht den Eindruck, dass es sich bei vielen Politikern um eher bildungsferne Existenzen handelt, die mit naiven Anglizismen einen weitläufigen und gebildeten Eindruck erzeugen wollen, obwohl in manche Promotion nicht viel Geist investiert wurde. Homeschooling ist ein ähnlich intellektuell grenzwertiger Begriff und soll wohl nur etwas aufwerten, was in der Praxis aufgrund politischer Versäumnisse nicht befriedigend funktioniert.

Die Arbeit in den eigenen vier Wänden kann gut sein. Sie vermeidet unnötige Verkehrsbewegungen In wie weit das positive Auswirkungen auf das Klima hat, müsste untersucht werden, denn der größte Energieverbraucher und Klimaschädling ist das Internet. Das haben die Grünen noch nicht mitbekommen. Die forcierte Digitalisierung hat auch ihre Schattenseiten. Positiv kann natürlich sein, dass vielen Menschen, insbesondere in den Ballungsgebieten, die für den Arbeitsweg eingesparte Zeit geschenkt wird.

Eine echte Flexibilisierung und ein damit verbundener Gewinn an Freiheit dürfte in den wenigsten Fällen gegeben sein, denn schließlich ist die räumliche Entkoppelung des Arbeitsplatzes nicht gleichzeitig eine Herauslösung aus dem betrieblichen Arbeitsablauf und der Notwendigkeit der jederzeitigen Verfügbarkeit für das Team. Überdies haben Untersuchungen schon vor Jahren ergeben, dass in Heimarbeit die Gefahr der Selbstausbeutung ungleich größer ist und in der Regel mehr gearbeitet wird, als im Büro. Diesen Untersuchungen kommt schon deshalb besonderes Gewicht zu, weil sie lange vor der Pandemie veröffentlicht wurden und deshalb nicht in dem Verdacht stehen müssen, ein politisch gewünschtes Ergebnis zu bestätigen. Arbeitsschutz und Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes lässt sich außerhalb des Betriebes nicht kontrollieren. Wird zuhause tatsächlich die nach § 5 Arbeitszeitgesetz geforderte Ruhepause von 11 Stunden eingehalten oder setzt sich die Arbeitnehmerin, nach Feierabend von 21.00 Uhr bis 23.00 Uhr noch einmal an den Rechner, obwohl sie morgens um 8.00 Uhr wieder Dienst hat? Was ist mit den sozialen Kontakten, die der Mensch ebenso braucht. Ist es am Bildschirm tatsächlich möglich, auch einige private Dinge zu erörtern, wie es in jedem Büroalltag bei Präsenz selbstverständlich ist?

Wie steht es überhaupt um die Kommunikation bei Verhandlungen. Die Kommunikationswissenschaft ordnet bis zu 80% der Körpersprache zu. Frau Baerbock, das sind mehr als drei Viertel. Was bleibt von Körpersprache übrig, wenn bei Videokonferenzen nur Köpfe zu sehen sind?

 

Erheblich erfreulicher ist die Angelegenheit auf Arbeitgeberseite, denn perspektivisch lässt sich teure Bürofläche einsparen. Zahlreiche Unternehmen haben dies umgehend umgesetzt und die Individualarbeitsplätze der Mitarbeiter gestrichen. Als Ersatz gibt es einige „neutrale“ Arbeitsterminals, die von denjenigen Mitareitern benutzt werden können, die gerade einmal im Unternehmen anwesend sind.

Reisekosten fallen im großem Umfang weg, dies gilt auch für die ungeliebten Reisekosten der Betriebsräte bei überregional aufgestellten Unternehmen, bei denen der Hauptsitz weit entfernt von dem Betriebsteil liegt, in dem der zuständige Betriebsrat arbeitet. Wie die Verhandlungsergebnisse bei Verzichts auf persönliche Begegnungen ausfallen, bleibt abzuwarten. Die Ausklammerung eines wesentlichen Teils der Kommunikation wird sich nicht positiv auswirken können.

Unklar und eher pessimistisch zu beurteilen ist der psychosoziale Effekt. Der Mensch ist normalerweise ein soziales Wesen, das die Interaktion und den unmittelbaren Kontakt mit anderen Menschen benötigt. Ein Mensch, der isoliert wird, verkümmert. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Einzelhaft gilt im Rahmen des Strafvollzugs als schwere Strafe. Wird tatsächlich diese Isolation dadurch aufgelöst, dass ein Mensch Kollegen per Bildschirm kontaktiert? Dieser Kontakt dient nicht dem sozialen Austausch sondern der Erfüllung streng sachbezogener arbeitstechnischer Ziele und ist deshalb denkbar ungeeignet, eine Isolation zu vermeiden. Nur eine Maschine kann man an jedem beliebigen Ort aufstellen

 

Dies sollen nur ein paar Denkanstöße sein für Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Politik, die sich bisher nicht kritisch mit den Problemen einer so weitgehenden Umstellung befasst haben. Vielmehr entsteht der Eindruck der Rosinenpickerei, bei der jede Seite die Aspekte hervorhebt, die isoliert vorteilhaft erscheinen.

Homeoffice ist keine leichte Form von Urlaub. Es erwachsen daraus erhebliche Konsequenzen und Probleme, die eine gesamtheitliche.Betrachtung erfordern